Archiv der Kategorie: Rezensionen

Über das Buch „Planet Germania“ von Artur Rosenstern

Und über die Chance, fremd zu sein!

„Im Verstehen um das Anders- und So-Sein der menschlichen Existenz  leistet seine Arbeit einen schönen und wesentlichen Beitrag.“

Dr. phil. Wolfgang Kühnhold,
Theaterregisseur und Intendant des Dalheimer Sommers

Artur Rosenstern berichtet in seinem Buch anhand situationskomischer Episoden aus der Sicht seines Protagonisten Andrej über den gewöhnungsbedürftigen Planeten Germania. Mal humorvoll, mal philosophisch und melancholisch tragen Andrej und sein Freund Murat dazu bei, das Anderssein menschlicher Existenzen zu verstehen, und leisten so einen wertvollen Beitrag in der aktuellen Integrationsdebatte.

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Der Traum: Ein Leben als waschechter Wessi
Andrej träumt schon lange von einem Leben als waschechter Wessi und davon, etwas zu werden. Kurz nach der Öffnung der Grenze packt er seinen alten sowjetischen Koffer, um sich auf ins gelobte Deutschland, besser gesagt, nach Westdeutschland zu machen. Denn die gelten nun mal als am allerdeutschesten. Endlich bei der Verwandtschaft in Detmold angekommen, stellen sich Andrej schnell die Fragen: Wie werde ich etwas? und Was ist überhaupt etwas? Laut seinem Onkel kommt’sch auf die PS an. Der kann gerade mal übers Lenkrad gucken, plädiert allerdings für einen dicken Benz. Hascht du viele PS, bischt du was, hascht du wenig PS, bischt du nix! Was zunächst so einfach klingt, gestaltet sich für Andrej zunehmend schwieriger. Schon kommen ihm erste Zweifel beim Kennenlernen der neuen Kultur. Immer mehr beschäftigen ihn diese Fragen und leiten ihn in der ungewohnten Umgebung auf der Suche nach sich selbst.

Ideelle versus materielle Integration    
Andrej will Deutscher werden, damit man ihm mit Achtung begegnet. Wissensdurstig und offen macht er sich daran, seine neue Heimat zu erkunden, allem voran die deutsche Sprache. Sein großes Vorbild E.T.A. Hoffmann beeinflusst seinen Weg. Weiterlesen

Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ am Kasseler Staatstheater – zeitlos, filmisch, fulminant

Kassel. Hierzulande wurde es seit langem zum guten Geschmack, Opernwerke in ihrer Originalsprache mit deutschen Übertiteln zu geben. Das Kasseler Staatstheater schwimmt gegen den Strom und präsentiert dem Publikum die Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitrij Schostakowitsch (uraufgeführt 1934) in deutscher Sprache. Am 29. Oktober 2011 hat die deutsche Fassung nach der Übersetzung von Siegfried Schoenbohm in Kassel ihre Premiere gefeiert. Mit großem Erfolg.

Der Regisseur Michael Schulz ließ die Akteure in einem hellweißen, zum Publikum hin offenen Raum (Kasten) auftreten, mit Türen seitlich und hinten und einer runden Öffnung in der Decke. Die Requisite wurden sehr sparsam gehalten: eine Holzbadewanne, einige Birkensetzlinge, eine Tür, die je nach Szene die Raumtrennung markierte und von den Sängern angeschleppt wurde. Sonst gab es kaum weitere Gegenstände auf der Bühne (Dirk Becker). Karg und kalt, beinah futuristisch anmutend und dennoch überzeugend. Weiterlesen

Pervez Mody legt eine neue Skrjabin-CD vor

(CD – Empfehlung von einem Gastautor)
Es ist schon erstaunlich, wie sehr Chopin noch fast 50 Jahre nach seinem Tod die frühen Werke von Alexander Skrjabin (1872-1915) prägte.
Doch der aus Indien stammende, in Russland ausgebildete und in Deutschland lebende Pianist Pervez Mody weiß die Tendenzen zur Moderne Skrjabins bereits in den zehn Mazurken op.3 mit untrüglichem Gespür für die agogische Biegsamkeit des Rhythmus’ und artikulatorischer Finesse aufzuspüren. Auch wie er die viersätzige Sonate Nr. 1, f-moll, op.6 in ihren dramatischen Aufgipfelungen souverän bis zu den Erschütterungen des Trauermarsches gestaltet und die nervöse Exzentrik der Sonate Nr.9 mit dem Titel „Schwarze Messe“ mit sublimen Anschlag, aber auch kraftvoll-kernigem Ton transzendentale Qualität verleiht, erhebt Mody zu einem der ersten Skrjabin-Interpreten unserer Zeit.

Alexander Skrjabin: Sonaten Nr. 1 u. 9, Mazurken op.3, Pervez Mody (Klavier), CD, Thorofon

 

Quelle: Neue Westfälische, 16, 17 Juli 2011 (gans)

Elisaveta Blumina spielt „Kinderhefte“ und „Klaviersonate Nr. 1“ von Weinberg ein

von Helmut Rohm

Nach und nach und glücklicher Weise wird seit einigen Jahren das umfängliche und hoch bedeutende Schaffen des polnisch-russischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg auch im Westen entdeckt und aufgeführt. Eine echte Bereicherung!

Gerade hatte sich der 1919 in Warschau geborene Sohn jüdischer Eltern angeschickt, eine erfolgreiche Pianistenkarriere zu beginnen, da musste er vor den Nazis fliehen – zuerst nach Minsk, wo er zwanzigjährig seine Erste Klaviersonate op. 5 komponierte, dann weiter ins usbekische Taschkent – wo er als Korrepetitor an der Oper Fuß fassen konnte.

Tiefe Freundschaft zu Schostakowitsch

Nachdem Dimitri Schostakowitsch Weinbergs dort entstandene Erste Symphonie kennen gelernt hatte, sorgte er dafür, dass der dreizehn Jahre jüngere 1943 nach Moskau übersiedeln und sich als freischaffender Komponist niederlassen konnte. Auch von Stalin wurde er bald verfolgt und 1953 inhaftiert. Wieder war es Schostakowitsch, der sich für den mit dem Tode Bedrohten einsetzte. Zwischen beiden Komponisten entwickelte sich eine lebenslange tiefe Freundschaft. Weinberg, der als Pianist viele Werke Schostakowitschs uraufgeführt hat, schickte sich an, als Komponist in einem wahren Schaffensdrang ein riesiges Oeuvre zu schaffen. Es umfasst u.a. sieben Opern, mehrere Operetten, 27 Symphonien und andere Orchesterwerke, 17 Streichquartette, Werke fürs Ballett und den Film und vieles mehr. Weiterlesen

Lera Auerbachs Suite concertante zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt

Hamburg, 9. November. In der Hamburger Laeiszhalle kam es am 9. November zur deutschen Erstaufführung der Suite concertante für Violine, Klavier und Streicher von Lera Auerbach.   Den Presseberichten nach zu urteilen war die Veranstaltung ein großer Erfolg: Weiterlesen

Schostakowitschs „Lady Macbeth“ an der Wiener Staatsoper in Urfassung zu sehen

Wien, 24. Oktober. Die in der Sowjetunion seiner Zeit sehr umstrittene Urfassung der Oper „Lady Macbeth von Msenks“ von Dmitrij Schostakowitsch kam am 23. Oktober 2009 erfolgreich zur Aufführung an der Wiener Staatsoper. Die musikalische Leitung hatte Ingo Metzmacher inne, die Regie führte Matthias Hartmann. Die Oper entstand 1930 nach der gleichnamigen Vorlage von Nikolaj Leskov. Die Uraufführung der Oper fand 1934 statt. Das Werk stieß zunächst auf positive Resonanz in Russland und fand sogar große Beachtung im Ausland. Am 28. Januar 1936 erschien jedoch in der Zeitung „Prawda“ ein pamphletartiger Artikel, Weiterlesen

Der Zar sieht alles! – Oder wie die Zarenbraut am Osnabrücker Theater zur Präsidentenbraut wurde…

Premiere Die Zarenbraut Theater OsnabrückLiebe, Wahnsinn und Tod stehen in der Oper oft eng beieinander. So auch in der Oper Die Zarenbraut von Rimskij-Korsakow, die am Samstag, dem 13. Juni 2009, eine erfolgreiche Premiere am Osnabrücker Theater am Domhof feierte.

Diesmal ist es Marfa, die Verlobte Nikolai Lykows, die ihrer Hochzeit entgegenfiebert, sich freut und nichts von ihrem tragischen Schicksal ahnt. Als Tochter eines Kaufmanns, bekannt für ihre Schönheit, wird sie auch vom Chef der Opritschnikis (der Schlägertruppe des Zaren Iwan des Schrecklichen), von Grigorij Grjasnoj (russ: der Dreckige) inbrünstig begehrt. Und so versucht er, Marfa an sich zu binden: Weiterlesen

Hermann aus Wien rettet „Pique Dame“ in Berlin

pique_dame_sehr_kleinWer das Glück hatte, am 8. Mai 2009 der Aufführung der Pique Dame von Peter Tschaikowski in der Komischen Oper Berlin beizuwohnen, war von einer äußerst komischen Darbietung des Hauses sehr überrascht. Seit geraumer Zeit hätte nämlich Robert Künzli, der in den früheren Vorstellungen den Part des Protagonisten Hermann ausführte, Probleme mit seiner Stimme. Deshalb bemühte sich die Theaterleitung rechtzeitig um einen adäquaten Ersatz. Das Problem war schon sehr bald vom Tisch, die Proben mit dem neuen Sänger reibungslos verlaufen, und so schien einer Erfolg-versprechenden Vorstellung nichts im Wege zu stehen – bis auf den Tag der Vorstellung. Weiterlesen